23/04/2024
Ausbau des Bahn-Fernverkehrs gefordert / Minderheitentreffen in der Lausitz zu Wirtschaft und Tourismus

Angesichts der kürzlich bekannt gewordenen Pläne der Deutschen Bahn, die direkte Fernverkehrsanbindung Nordfrieslands zu reduzieren, warnt der Vorsitzende des Minderheitenrates Karl-Peter Schramm: „Hier geht es nicht nur um etwas Bequemlichkeit für Touristinnen und Touristen. Wenn Regionen nicht mehr überregional erreichbar sind, hat dies ohne Zweifel Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Tourismus. Aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Regionen benötigen im 21. Jahrhundert flächendeckend gute und umweltfreundliche Mobilitätsangebote. Ohne diese leiden die Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und gerade, wenn die Angehörigen von Minderheiten gezwungen sind abzuwandern, oder es nicht attraktiv ist, in unsere Regionen zurückzukehren, dann hat dies existenzbedrohende Auswirkungen auf unsere Sprachen und Kulturen.” Aus diesem Grund wendet er sich in Schreiben an den Bundesverkehrsminister und die DB Fernverkehr AG, um diese für die Anbindung von Minderheitenregionen und die stärkere Verwendung der Minderheitensprachen zu sensibilisieren.

Als Vertreter aus dem Saterland (Niedersachsen), das seit Jahrzehnten gar keine Personenverkehrsanbindung an das Bahnnetz mehr hat, weiß er, wovon er spricht: „Das Saterland hat einen Museumsbahnanschluss, die Oberlausitz mit dem sorbischen Zentrum Bautzen/Budyšin nur Regionalverkehr. In die 100.000-Einwohner-Stadt Cottbus/Chóśebuz in der Niederlausitz fährt einmal am Tag ein InterCity, obwohl dort gerade ein Instandhaltungswerk für ICE-Züge eröffnet wurde. Die Pläne der Bahn, Dagebüll/Doogebel und damit auch Föhr/Feer und Amrum/Oomram vom Fernverkehr abzuhängen, sind nicht hilfreich, um auf den Inseln gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Wir fordern daher Bund und Bahn auf, bei ihren Planungen auf derartige Belange Rücksicht zu nehmen.”

Wie wichtig das Thema Wirtschaft, Tourismus und Minderheitenregionen ist, zeigt sich auch an der vom 23. bis 26. April zu diesem Thema in Lübbenau/Spreewald – Lubnjow/Błota stattfindenden Beratung der Arbeitsgruppe der Minderheiten ohne Mutterstaat des europäischen Minderheitendachverbandes FUEN. Gerade bei überregionaler Wirtschaftsförderung und Tourismusentwicklung werden Chancen durch die Existenz dieser Minderheitenkulturen und -sprachen oftmals übersehen. Drei der vier anerkannten Minderheiten in Deutschland sind solche so genannte „Non Kin State”-Minderheiten. Karl-Peter Schramm wird an dieser Beratung teilnehmen, die auf Einladung des sorbischen/wendischen Dachverbandes Domowina stattfindet. Sprecher der Arbeitsgruppe ist der Nordfriese Bahne Bahnsen.

 

Hintergrund:
Es wurden Pläne der Deutsche Bahn bekannt, dass entgegen bisheriger Planungen künftig keine Fernverkehrsangebote mehr nach Dagebüll/Doogebel möglich sein sollen, womit auch die Inseln Föhr/Feer und Amrum/Oomram als Kerngebiete nordfriesischer Sprache und Kultur schwerer erreichbar und unattraktiver würden. Von den traditionellen Minderheitensiedlungsgebieten Deutschlands sind lediglich Südschleswig (Flensburg/Flensborg) und Ostfriesland derzeit gut, sowie die nordfriesische Insel Sylt/Söl relativ gut an das Fernverkehrsnetz angebunden.

Im Minderheitenrat arbeiten die vier seit Jahrhunderten im heutigen Deutschland lebenden nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands – Dänen, Friesen, deutsche Sinti und Roma sowie Lausitzer Sorben/Wenden – zusammen an der Umsetzung von Minderheitenrechten. Der Vorsitz wechselt jährlich zwischen den vier Minderheiten. 2024 hat ihn der Vertreter des saterfriesischen Verbands Seelter Buund, Karl-Peter Schramm inne. Koordiniert wird die Arbeit des Minderheitenrates durch das Minderheitensekretariat in Berlin, das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat auf der Grundlage eines Bundestagsbeschlusses gefördert wird.
www.minderheitensekretariat.de

Die Verbände aller vier Minderheiten arbeiten im europäischen Minderheitendachverband Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) mit, dessen Arbeitsgruppe Non Kin State ihr Jahrestreffen 2024 in der Niederlausitz abhält.
www.fuen.org und nks.fuen.org

(Quelle: Minderheitensekretariat, 23.04.2024)